Wenn Liebe zur Sucht wird: Wie man emotionale Abhängigkeit in Beziehungen erkennt

Wenn Liebe zur Sucht wird: Wie man emotionale Abhängigkeit in Beziehungen erkennt

Wenn Liebe zur Sucht wird, verschwimmt die feine, oft schwer zu definierende Grenze zwischen tiefer Verbundenheit und ungesunder Abhängigkeit, was gravierende psychische und soziale Folgen für die Betroffenen nach sich ziehen kann. Viele Menschen erleben in der Anfangsphase einer Beziehung intensive Gefühle der Euphorie und Fokussierung auf den Partner, doch bei der sogenannten Liebessucht, auch Beziehungssucht genannt, entwickelt sich diese Fixierung zu einem zwanghaften Muster der Selbstaufgabe und ständigen Verlustangst. Dieser Zustand ist nicht romantische Leidenschaft, sondern eine psychologische Dynamik, die oft auf tief verwurzelten Bindungs- und Selbstwertproblemen basiert und das gesamte Lebenssystem des Süchtigen dominiert. Es ist ein Zustand, der sich durch Kontrollverlust und das zwanghafte Bemühen auszeichnet, die eigene emotionale Balance ausschließlich über die Anerkennung und Nähe des Partners zu regulieren. Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Psychologische Forschung (IPF) von 2024 geben etwa 15 Prozent der Befragten an, in einer Phase ihres Lebens Anzeichen emotionaler Abhängigkeit in ihren Partnerschaften erlebt zu haben, was die hohe Relevanz dieses Themas unterstreicht. Darüber berichtet die Redaktion von Glueckid.de.

Die psychologischen Hintergründe der Liebessucht verstehen

Die psychologischen Hintergründe der Liebessucht reichen oft tief in die frühkindliche Entwicklung zurück und sind eng mit dem sogenannten Bindungstyp und dem erlernten Selbstwertgefühl verknüpft. Menschen, die in ihrer Kindheit keine stabile emotionale Basis erfahren haben oder deren Zuneigung an Leistung geknüpft war, entwickeln häufig eine unsichere Bindungsstrategie, die sich im Erwachsenenalter in zwanghaftem Klammern oder übermäßiger Anpassung manifestiert. Diese Personen versuchen unbewusst, die unerfüllten Bedürfnisse nach Sicherheit und bedingungsloser Liebe durch den Partner zu kompensieren, wodurch dieser zur einzigen Quelle des Wohlbefindens stilisiert wird. Wissenschaftliche Studien, wie jene der Anthropologin Helen Fisher, zeigen zudem, dass die intensive Phase des Verliebtseins ähnliche Hirnregionen aktiviert wie der Konsum von Drogen, insbesondere das Belohnungszentrum. Bei Liebessüchtigen hält dieser Aktivierungszustand dysfunktional lange an oder tritt in extremer Form auf, wodurch eine chemische und psychische Abhängigkeit entsteht. Die Betroffenen verwechseln die Intensität dieser chemisch verstärkten Emotionen oft mit wahrer, reifer Liebe, obwohl es sich primär um die Befriedigung eines inneren Mangels handelt.

Acht Hauptursachen, die zur Entwicklung der Liebessucht beitragen:

  • Unsicherer Bindungsstil (häufig ängstlich-ambivalent).
  • Geringes, extern definiertes Selbstwertgefühl.
  • Traumatische Erfahrungen von Verlust oder Vernachlässigung in der Kindheit.
  • Die Illusion, der Partner sei die Lösung für alle persönlichen Probleme.
  • Kompensation unerfüllter emotionaler Bedürfnisse der Kindheit.
  • Unfähigkeit, die eigene Gefühlswelt autonom zu regulieren.
  • Angst vor dem Alleinsein und der Einsamkeit.
  • Zwanghafte Wiederholung dysfunktionaler Beziehungsmuster.

Die klaren Warnzeichen: Wann ist die Grenze zur Abhängigkeit überschritten

Die klaren Warnzeichen, dass die Grenze von gesunder Liebe zu emotionaler Abhängigkeit überschritten ist, manifestieren sich in einer Reihe von Verhaltensweisen, die die eigene Autonomie und das soziale Leben massiv einschränken. Eines der prominentesten Symptome ist die Unterordnung der eigenen Bedürfnisse, Wünsche und sogar des gesamten Tagesplans unter die des Partners, wobei der eigene Wert nur noch über dessen Wohlbefinden definiert wird. Die Betroffenen isolieren sich zunehmend von ihrem sozialen Umfeld, geben Hobbys und Freundschaften auf, um jederzeit für den Partner verfügbar zu sein und keine potenziellen Konflikte zu provozieren. Extreme und unbegründete Eifersucht ist ein weiteres deutliches Signal, das aus der tief sitzenden Verlustangst resultiert und zu obsessiver Kontrolle des Partners führen kann. Eine Person, die unter Liebessucht leidet, empfindet ohne die physische oder emotionale Nähe des Partners ein tiefes Gefühl der Leere, Panik oder emotionalen Absturzes, was einem Entzugserscheinungen ähnlichen Zustand gleichkommt. Obwohl gesunde Liebe Unterstützung und Nähe beinhaltet, ist der süchtige Zustand dadurch gekennzeichnet, dass die Beziehung zum alleinigen, alles überschattenden Lebensinhalt wird, unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität.

Liebessucht

Acht konkrete Merkmale, um Liebessucht zu erkennen:

  • Die ständige Angst, verlassen zu werden (Verlustangst).
  • Aufgabe eigener Hobbys, Freunde und Interessen zugunsten des Partners.
  • Der Gedanke an ein Leben ohne den Partner führt zu Panik oder Verzweiflung.
  • Ständige Suche nach Bestätigung und Lob durch den Partner.
  • Übersteigerte Eifersucht und Kontrollbedürfnis.
  • Tolerieren von emotionalem oder physischem Missbrauch aus Angst vor Trennung.
  • Die eigene Stimmung ist zu 100% vom Verhalten des Partners abhängig.
  • Man stellt die eigenen Bedürfnisse systematisch hinter die des Partners.

Beziehungssucht und Co-Abhängigkeit: Die gefährliche Wechselwirkung

Beziehungssucht und Co-Abhängigkeit sind eng miteinander verbundene Konzepte, die oft in dysfunktionalen Partnerschaften parallel auftreten und eine sich selbst verstärkende Dynamik bilden, die beide Partner krank macht. Co-Abhängigkeit beschreibt primär das Muster, die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen, um sich zwanghaft um das Wohlergehen, die Probleme oder die Sucht des Partners zu kümmern, wodurch die co-abhängige Person ihr Selbstwertgefühl aus dieser Rolle des „Helfers“ oder „Retters“ zieht. In einer Liebessucht-Beziehung kann dies bedeuten, dass der Süchtige einen Partner wählt, der selbst emotional distanziert oder bedürftig ist, weil dies das Gefühl des „Gebrauchtwerdens“ und der Kontrolle verstärkt, während er gleichzeitig die Illusion von Liebe aufrechterhält. Forschungen im Bereich der Suchtkrankenhilfe, wie sie das Blaue Kreuz publiziert, zeigen, dass Co-Abhängige oft versuchen, die Sucht (sei es Drogen, Alkohol oder Liebessucht) des Partners zu kontrollieren oder zu verheimlichen, wodurch sie das Problem unabsichtlich zementieren. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass der Liebessüchtige primär vom Gefühl der Liebe/Beziehung abhängig ist, während der Co-Abhängige von der Rolle des Pflegenden/Retters abhängig ist.

MerkmalGesunde Liebe (Autonomie)Beziehungssucht (Abhängigkeit)Co-Abhängigkeit (Retter-Rolle)
Fokus der GedankenAuf das gemeinsame Leben und individuelle Ziele.Ausschließlich auf den Partner und dessen Befindlichkeiten.Auf die Probleme, das Verhalten und die Kontrolle des Partners.
Umgang mit KonfliktenOffene, respektvolle Kommunikation und Kompromisse.Vermeidung um jeden Preis; Unterordnung, um den Partner nicht zu verlieren.Konflikte werden entschuldigt oder die Schuld auf sich genommen.
SelbstwertgefühlStabil, unabhängig von der Beziehung.Komplett abhängig von der Bestätigung des Partners.Abhängig vom Gefühl, gebraucht und unersetzlich zu sein.
Alleine ZeitWird als wertvoll für persönliche Entwicklung genutzt.Führt zu Panik, Leere oder zwanghaften Kontrollanrufen.Ist kaum vorhanden, da man ständig mit dem „Retten“ beschäftigt ist.

Wege zur Gesundung: Strategien und professionelle Hilfe bei Liebessucht

Wege zur Gesundung von der Liebessucht erfordern ein tiefes Bewusstsein für das eigene Suchtverhalten und die konsequente Arbeit an der Wiederherstellung der emotionalen Autonomie, was oft professionelle Unterstützung notwendig macht. Der erste therapeutische Schritt besteht in der Regel darin, das sogenannte „Loslassen“ zu erlernen – die Akzeptanz, dass der Partner nicht für das eigene Glück verantwortlich ist und die Fokussierung auf die eigenen, lange vernachlässigten Bedürfnisse und Interessen. Psychotherapeuten, insbesondere jene, die auf Sucht- oder Bindungsthemen spezialisiert sind, nutzen häufig kognitive Verhaltenstherapie, um die dysfunktionalen Denkmuster und die zwanghaften Verhaltensweisen zu durchbrechen. Eine wichtige praktische Maßnahme ist die Etablierung einer „emotionalen Inventur“, bei der Betroffene lernen, ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse ohne Bezugnahme auf den Partner wahrzunehmen, was durch das Wiederaufnehmen alter Hobbys oder den Aufbau eines unabhängigen Freundeskreises unterstützt wird. Selbsthilfegruppen, wie die von CoDA (Co-Dependents Anonymous), bieten einen geschützten Raum für den Austausch von Erfahrungen und die Anwendung von Zwölf-Schritte-Programmen, die bei der Überwindung von Abhängigkeit in Beziehungen eine wirksame Stütze darstellen.

Acht Schritte zur Überwindung der Liebessucht:

  1. Anerkennung des Problems als Sucht und nicht als „große Liebe“.
  2. Strikte Beachtung der „Kontakt-Diät“ (emotionale und physische Distanzierung).
  3. Wiederherstellung des unabhängigen sozialen Netzwerks und alter Hobbys.
  4. Identifikation und Bearbeitung der zugrunde liegenden Kindheitstraumata.
  5. Aufbau eines stabilen, intern definierten Selbstwertgefühls.
  6. Erlernen und konsequentes Setzen persönlicher Grenzen.
  7. Professionelle therapeutische Begleitung (Einzel- oder Gruppentherapie).
  8. Verantwortung für die eigenen Emotionen übernehmen (keine Projektion auf den Partner).

Die Unterscheidung zwischen leidenschaftlicher Liebe und emotionaler Abhängigkeit ist für die psychische Gesundheit und die Qualität einer Beziehung essenziell. Liebessucht ist eine ernstzunehmende psychologische Herausforderung, die jedoch mit professioneller Hilfe und der Bereitschaft zur Selbstreflexion erfolgreich überwunden werden kann. Der Weg zur gesunden, autonomen Liebe liegt in der Selbstliebe und der Fähigkeit, auch alleine ein erfülltes Leben zu führen.

Bleiben Sie achtsam und informiert – über Psychologie, Gesundheit und Bewusstsein. Lesen Sie auch: Wenn Liebe weh tut: Wie Paare Krisen überstehen – Strategien für stabile Beziehungen

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