„Doomer“-Generation in Deutschland: Warum so viele die Hoffnung auf die Zukunft verlieren

Der Begriff „Doomer“ stammt ursprünglich aus Internet-Foren und beschreibt Menschen, die überzeugt sind, dass die Welt unaufhaltsam auf den Abgrund zusteuert. Es ist mehr als bloßer Pessimismus – es ist ein Gefühl kollektiver Erschöpfung und des Kontrollverlusts. In Deutschland wird das Phänomen zunehmend Thema in der psychologischen Forschung und den sozialen Medien. Laut einer Studie des Bundeszentrums für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zeigen rund 46 % der Befragten „deutliche Anzeichen chronischer Zukunftsangst“. Darüber berichtet GlückID unter Berufung auf aktuelle psychologische Analysen.
Warum betrifft das so viele Menschen
Die Welt scheint sich in permanenter Krise zu befinden: Klimawandel, Kriege, Inflation, Jobunsicherheit. Hinzu kommt der soziale Druck, ständig „funktionieren“ zu müssen. Besonders junge Erwachsene und Großstädter – etwa in Berlin, Hamburg oder Frankfurt – berichten von zunehmender emotionaler Erschöpfung.
Laut dem Glücksatlas 2025 empfinden 38 % der Menschen in Deutschland, dass ihr Leben „an Sinn verliert“. Viele ziehen sich zurück, vermeiden Diskussionen und konsumieren ununterbrochen negative Nachrichten – ein Verhalten, das als Doomscrolling bekannt ist.
Soziale Netzwerke verstärken diesen Effekt, da sie negative Inhalte algorithmisch priorisieren. Studien der Universität Mannheim zeigen: Wer täglich über eine Stunde doomscrollt, hat ein doppelt so hohes Risiko für depressive Symptome.
Psychologie hinter dem „Doomer“-Denken
Doomer neigen zu einem fatalistischen Weltbild: „Was ich tue, ändert ohnehin nichts.“ Diese Überzeugung entsteht häufig durch eine Kombination aus individuellen Enttäuschungen (Beziehungen, Karriere, Krankheit) und strukturellen Krisen (Pandemie, Kriege, wirtschaftlicher Druck).
Psychologin Dr. Nadine Klein von der Universität Leipzig erklärt:
„Viele Menschen erleben eine neue Form der Ohnmacht. Sie sehen, dass politische und wirtschaftliche Entscheidungen fernab ihrer Kontrolle liegen. Das führt zu kollektiver Resignation.“
Ein typischer Kreislauf: negative Nachricht → Angst → Rückzug → noch mehr Zeit im Netz → noch mehr Negatives. Dadurch verfestigt sich das Gefühl, dass „alles verloren“ ist.
Deutschland zwischen Krisen und Erschöpfung
Seit der Pandemie ist die Zahl psychischer Belastungen stark gestiegen. Laut DAK-Gesundheitsreport 2025 verzeichnet Deutschland einen Höchststand an Krankschreibungen wegen Erschöpfung und Depressionen. Die wirtschaftliche Unsicherheit, der demografische Wandel und steigende Lebenshaltungskosten verstärken das Gefühl, dass Zukunftsplanung sinnlos geworden ist. Besonders betroffen sind Alleinlebende, Studierende und Arbeitnehmer in Großstädten, wo Anonymität und Leistungsdruck dominieren.
Im Gegensatz dazu berichten Menschen auf dem Land häufiger über „Zufriedenheit trotz Unsicherheit“ – vermutlich durch engere soziale Bindungen und geringeren Medienkonsum.
Wie man aus der „Doomer“-Spirale aussteigen kann
Psychologen empfehlen fünf konkrete Schritte, um die Negativspirale zu durchbrechen:
- Bewusstsein schaffen: Erkennen, dass Dauerpessimismus kein persönliches Scheitern ist, sondern ein Symptom gesellschaftlicher Überlastung.
- Nachrichtenfasten: Maximal 15 Minuten News am Tag – vorzugsweise am Morgen.
- Körperliche Aktivität: Sport, besonders Ausdauertraining, aktiviert das Belohnungssystem.
- Soziale Kontakte pflegen: Regelmäßige Treffen, Gespräche, gemeinsame Aktivitäten.
- Kleine Ziele setzen: Eine Struktur im Alltag hilft, das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.
Viele Therapeuten raten zudem zu achtsamer Mediennutzung und empfehlen, positive Routinen – etwa Tagebuchschreiben oder Freiwilligenarbeit – als Gegengewicht zu digitalen Stressquellen aufzubauen.
Praktische Strategien: Wie man das „Doomer“-Denken selbst verändert
Psychologen betonen, dass der Ausstieg aus dem dauerhaften Negativdenken nicht sofort, aber mit Struktur und Disziplin möglich ist. Entscheidend ist, gedankliche Routinen zu durchbrechen und das Gehirn auf neue Reize zu trainieren.
Checkliste – 7 Schritte zur Veränderung des „Doomer“-Mindsets:
- Selbstbeobachtung beginnen: Notiere täglich negative Gedanken. So wird sichtbar, wie oft du dich selbst sabotierst.
- Gedankenstopp-Technik: Sobald der Gedanke „Es hat keinen Sinn“ auftaucht, laut „Stopp!“ sagen oder innerlich stoppen – und bewusst eine realistische Alternative formulieren („Ich weiß nicht, was kommt, aber ich kann einen kleinen Schritt tun“).
- Beweise suchen: Prüfe, ob dein pessimistischer Gedanke wirklich Fakten hat. Meist sind es Annahmen, keine Tatsachen.
- Handlungsimpulse stärken: Jeden Tag eine kleine, kontrollierbare Aufgabe abschließen – ein Telefonat, eine E-Mail, ein Spaziergang. Erfolg aktiviert das Belohnungssystem.
- Informationsdiät: Für 14 Tage Nachrichten und Social Media auf 20 Minuten pro Tag beschränken. Das Gehirn braucht Erholungsphasen von Krisenbildern.
- Körper und Schlaf stabilisieren: 30 Minuten Bewegung täglich und feste Schlafzeiten verbessern emotionale Regulation.
- Achtsamkeit statt Grübeln: 5–10 Minuten Atemfokus oder Meditation täglich. Das senkt das Stresshormon Cortisol und reduziert Gedankenschleifen.
Wichtig: „Doomer“-Denken ist kein Charakterfehler, sondern ein erlerntes Schutzmuster. Es lässt sich umlernen – durch konsequente Selbstbeobachtung und realistische, lösungsorientierte Sprache.

Unterstützung für Angehörige und Eltern
Wenn Jugendliche oder Erwachsene in der Familie Anzeichen des „Doomer“-Verhaltens zeigen – Rückzug, permanente Hoffnungslosigkeit, Überforderung oder Wut auf „die Welt“ – ist ruhige, nichtwertende Unterstützung entscheidend.
Was Eltern tun können:
- Gespräche zulassen: Nicht drängen, aber offen zuhören. Vermeide Sätze wie „Reiß dich zusammen“.
- Alltag strukturieren: Regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten, Spaziergänge oder kleine Aufgaben geben Halt.
- Bewegung und reale Kontakte fördern: Weniger Bildschirmzeit, mehr echte Begegnungen.
- Wertschätzung ausdrücken: Kleine Anerkennungen („Ich sehe, dass du dich bemühst“) stabilisieren Selbstwert.
- Krisen ernst nehmen: Wenn Rückzug oder Hoffnungslosigkeit zunehmen, Hilfe anregen – nicht warten.
Hilfs- und Beratungstelefone in Deutschland:
| Thema | Kontakt | Erreichbarkeit |
|---|---|---|
| TelefonSeelsorge | 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 | 24 Stunden, anonym & kostenlos |
| Nummer gegen Kummer (für Kinder & Eltern) | 116 111 (Kinder) / 0800 111 0 550 (Eltern) | Mo–Sa 14–20 Uhr |
| Deutsche Depressionshilfe | 0800 33 44 533 | Mo–Do 13–17 Uhr |
| Krisendienst Deutschland | 0800 111 0 444 | regional rund um die Uhr erreichbar |
Eltern und Partner können helfen, den emotionalen Rückzug zu bremsen, aber sie können keine professionelle Behandlung ersetzen, wenn Symptome dauerhaft bleiben. Frühzeitiges Handeln schützt – Schweigen verschärft die Isolation.
Die „Doomer“-Haltung ist kein Modewort, sondern Ausdruck einer erschöpften Gesellschaft. Zwischen wirtschaftlicher Unsicherheit, Informationsüberflutung und Klimakrise wächst in Deutschland eine Generation, die sich zwischen Überforderung und Kontrollverlust wiederfindet. Das ist gefährlich – aber auch eine Chance: Wenn diese kollektive Müdigkeit erkannt wird, kann sie zum Ausgangspunkt für eine neue Kultur der Achtsamkeit und Selbstfürsorge werden.
Bleiben Sie achtsam und informiert – über Psychologie, Gesundheit und Bewusstsein. Lesen Sie auch: Glücksatlas 2025: Deutsche erreichen ein Zufriedenheitsplateau – Hamburg und Bayern führen, Mecklenburg fällt zurück



